Wieso wir Mode wieder lokal denken sollten

Ich erinnere mich an eine Zeit, in der ich fast jede Woche neue Kleider kaufte. Nicht, weil ich sie brauchte, sondern weil es einfach war. Ein Klick, ein Paket, ein kurzes Glücksgefühl. Mode bedeutete Abwechslung, Spass, Zugehörigkeit. Ich wollte dazugehören, Teil eines Trends sein, sichtbar und aktuell.
Heute denke ich anders über Kleidung. Ich frage mich, woher sie kommt. Wer sie gemacht hat. Und was sie wirklich wert ist.
Wir leben in einer globalisierten Modewelt, in der alles verfügbar ist. Kollektionen wechseln im Wochentakt, neue Drops überfluten unsere Feeds und die Preise sind oft so tief, dass wir kaum zweimal überlegen, bevor wir kaufen.
Diese Bequemlichkeit hat einen hohen Preis – ökologisch, sozial und kulturell. Vor allem aber hat sie uns den Blick für das Wesentliche genommen: für die Menschen und Prozesse hinter unserer Kleidung.
Lokal zu denken bedeutet, Verantwortung zu übernehmen.
Wenn ich von «lokal denken» spreche, meine ich nicht, dass alles in der Schweiz produziert werden muss. Das wäre weder realistisch noch sinnvoll. Es gibt weltweit hervorragende, faire Produktionsstätten. Entscheidend ist nicht das Wo, sondern das Wie.
Lokal zu denken bedeutet, wieder näher hinzuschauen: Welche Materialien werden verwendet? Unter welchen Bedingungen wird genäht? Wer profitiert – und wer nicht? Es bedeutet, Marken zu unterstützen, die transparent arbeiten, unabhängig vom Produktionsland.
Denn das Gegenteil von lokal ist nicht international.
Es ist anonym.
Überkonsum hat uns abgestumpft. Ein T-Shirt, das weniger kostet als ein Kaffee, trägt unsichtbare Kosten: Wasser, Chemikalien, CO₂, schlechte Arbeitsbedingungen, Müll.
Jedes Jahr landen Millionen Tonnen unverkaufter oder kaum getragener Kleidung auf Deponien. Wir nennen es Mode, doch eigentlich ist es Überfluss.
Lokale Mode ist teurer. Und genau das ist ihr Wert. Wenn ein Kleidungsstück einen realistischen Preis hat, denken wir länger darüber nach, bevor wir es kaufen. Wir wählen sorgfältiger, wir kombinieren kreativer, wir tragen länger. Wir kaufen weniger, aber besser.
Vor allem aber erinnert uns «lokal denken» daran, dass Kleidung Arbeit ist, die Handwerk, Wissen und Zeit fordert. Und dass hinter jedem Kleidungsstück Menschen stehen, die gesehen werden sollten.
Lokale Mode ist teurer. Und genau das ist ihr Wert.
Ich glaube, dass wir wieder lernen müssen, näher zu denken. Nähe zu Materialien, zu Prozessen, zu Werten. Nähe zu dem, was uns umgibt. Denn je weiter wir uns von der Herkunft unserer Kleidung entfernen, desto weniger verstehen wir ihren Wert.
«Lokal» ist kein Trend, es ist eine Haltung. Eine Einladung, Mode wieder als Teil eines grösseren Ganzen zu sehen – als Ausdruck von Kultur, Verantwortung und Respekt.
Wenn wir Mode wirklich lieben, müssen wir sie neu denken. Weniger global im Konsum, aber global im Bewusstsein. Denn lokal ist nicht die Grenze, es ist der Anfang.
Chloé Weilenmann
Editor-in-Chief the edit.
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